
Nutzung künstlicher Intelligenz bei der Polizeiarbeit
Oren Yosifon, Vice President of Product, SaaS Platform von Cellebrite, sprach mit Blue Line-Herausgeberin Brittani Schroeder über Einsatzbereiche für künstliche Intelligenz in der digitalen Forensik. KI entwickelt sich ständig weiter und spielt auch in der Welt der Kriminellen eine zunehmend wichtige Rolle. Hier die vollständigen in Blue Line veröffentlichten Fragen und Antworten.
F: Können Sie erklären, wie Kriminelle KI nutzen?
KI ist einerseits ein sprudelnder Quell für neue Innovationen – aber bietet andererseits auch ein hohes Missbrauchspotenzial für Kriminelle. Sie nutzen KI, um Deepfakes zu erstellen, Phishing-Angriffe zu automatisieren und komplexe Betrugsmuster zu etablieren, und das in ungeahntem Umfang und mit beachtlicher Raffinesse.
Kriminelle erstellen glaubwürdige synthetische Medien, um die öffentliche Meinung zu manipulieren oder auch Menschen zu erpressen. Dabei können sie einen vollständigen Nachrichtenaustausch und Fake-Konversationen generieren, die absolut überzeugend wirken. Das Spiel mit den Emotionen von Menschen ist zwar ein alter Trick – dank KI können Kriminelle dies aber nun skaliert schaffen. KI-Tools werden immer leichter zugänglich und sind auch für Kriminelle immer einfacher zu nutzen.
F: Wie können diese Gefahren verringert werden?
Die Antwort sind präventive und adaptive Strategien. Bildung ist unsere erste Verteidigungslinie: Wir müssen der Bevölkerung und der Strafverfolgung das nötige Rüstzeug geben – Wissen über das Potenzial und mögliche Warnzeichen. Auf der legislativen Seite benötigen wir agile Rahmenbedingungen, die sich schnell an die rasante technologischen Veränderung anpassen lassen, um die Nutzung von KI effizient zu regulieren. Aktuelle KI kann zwar andere mit KI generierte Inhalte erkennen, aber auch das wird sich noch ändern. Modelle zur Erkennung von Fakes sind dieselben Modelle, die für die Verbesserung von KI-Generierungsmodellen verwendet werden. Hierfür wird eine Methode angewendet, die als Generative Adversarial Networks (GANs) bezeichnet wird.
Das bedeutet, dass wir einen Brand mit Feuer löschen müssen, also KI mit KI bekämpfen. Wir müssen den Fokus auf die Erkennung von Zeichen legen, die auf die Nutzung von KI zur Erstellung illegaler, schädlicher und betrügerischer Inhalte hindeuten. Experten für digitale Forensik entwickeln derzeit KI-gestützte Tools, die Manipulation bei digitalen Beweismitteln erkennen und digitale Fußabdrücke von KI-gestützten Straftaten aufdecken können. Sie helfen, die Illusionen dieser versierten Kriminellen zu „entzaubern“.
F: Wie können Strafverfolgungsbehörden KI nutzen, um besser gegen solch fortschrittliche Kriminelle vorzugehen?
Die Strafverfolgung kann KI nutzen, um enorme Datenmengen zu durchforsten und so Muster und Anomalien zu erkennen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind oder deren Erkennung zu zeitaufwändig wäre. Beispielsweise kann KI Kommunikationsmuster analysieren, um Grooming-Verhalten in Missbrauchsfällen zu erkennen – oder etwa finanzielle Transaktionen, die auf Geldwäsche hindeuten.
Zudem kann KI als Kräftemultiplikator dienen. So kann sie wiederkehrende Aufgaben übernehmen und den Beamten dadurch Zeit ersparen, die sie für komplexe, nuancierte Ermittlungsaspekte nutzen können. Die bewährte DIKW-Pyramide[1] (Data Information Knowledge Wisdom) besagt, dass Informationen entstehen, indem Daten in einen Kontext gesetzt werden. Verfügt man über aussagekräftige, relevante Informationen, werden diese in weiterer Folge zu Wissen. Die jüngsten Fortschritte im Bereich der KI helfen, Daten in Wissen umzuwandeln, wodurch Menschen statt des mühsamen Durchforstens von Daten mehr Zeit für die Nutzung ihres eigenen Wissens haben: Erfahrung, Urteil und Analyse. Das ermöglicht es uns, die Herausforderungen zu meistern. Bei KI im Bereich der Strafverfolgung geht es also nicht darum, die menschliche Intuition zu ersetzen, sondern durch rechnerische Präzision und Effizienz zu erweitern.
Die Integration von KI in die Strafverfolgung ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits Gegenwart. Unsere Aufgabe ist es, diese Tools weiterzuentwickeln, für ihren ethischen Einsatz zu sorgen und weiterhin Innovationen zu schaffen, um den Kriminellen immer eine Nasenlänge voraus zu sein. Und was ist das Endziel? Das Endziel besteht darin, die Zeit bis zum Gerichtsverfahren zu verkürzen und nach den Grundsätzen einer fairen, gerechten Gesellschaft vorzugehen. KI verändert unsere Welt von Grund auf, und nun gilt es, dafür zu sorgen, dass sie ein Werkzeug bleibt, mit dem Positives bewirkt wird, und nicht zu einer Waffe wird, die illegale Aktivitäten möglich macht. Es ist ein Rennen, das wir nicht verlieren dürfen, und mit der richtigen Einstellung und den richtigen Tools werden wir dieses Rennen gewinnen.